UX jenseits von Plattformlogik
Beim UX Camp Bremen 2025 war ich nicht nur als Besucher dabei, sondern auch als Vorstand des Vereins norden.social e.V.
Wir haben das Barcamp in diesem Jahr unterstützt und ich habe die Gelegenheit genutzt, eine eigene Session anzubieten: Digitale Souveränität gestalten – UX jenseits der Plattformlogik
Wie gehen wir als Designer:innen mit Infrastrukturen um, die uns nicht gehören? Und was bedeutet das für unsere Nutzer:innen? Können wir Verantwortung und Datenhoheit überhaupt mitdenken?
Statt eines klassischen Vortrags gab es einen kurzen Impuls und anschließend eine offene Diskussion.
Ich habe das Thema am Beispiel Mastodon aufgemacht. Mastodon bringt ein komplexeres Onboarding mit sich. Man kann sich einfach beim Hauptserver anmelden, was viele tun, oder sich die Mühe machen, eine Instanz zu finden, die zu den eigenen Werten passt. Das ist vergleichbar mit der Wahl eines E-Mail-Anbieters. Viele greifen zu Gmail, obwohl ein europäischer, datenschutzfreundlicher Anbieter oft die bessere, wenn auch unbequemere Wahl wäre.
Politisch befinden wir uns spätestens seit der zweiten Trump-Regierung in einem Spannungsfeld zwischen den USA und Europa. Während die EU zunehmend auf eigene, teils dezentrale Plattformen setzt, üben US-Konzerne Kontrolle über zentrale Dienste aus. In der Praxis führt das häufig zu Abhängigkeit statt zu echter Freiheit. Folgende Fragen stellte ich somit der Runde:
- Welche Verantwortung haben wir als Designer:innen für die Infrastruktur hinter der Oberfläche?
- Ist Convenience wichtiger als Kontrolle über die eigenen Daten?
- Wie sichtbar darf/muss Eigenverantwortung im UX-Design sein?

Die Diskussion führte schnell zur Frage nach Eigenverantwortung. Wo liegen eigentlich die Daten unserer Arbeitgeber? Mehrere Beispiele wurden genannt, darunter der Wechsel von Jira und Confluence in die jeweiligen Cloud-Versionen, ebenso wie der Umstieg auf Office365 mit Microsoft Teams. Auch Figma kam zur Sprache. Diese Tools funktionieren gut, solange alles läuft. Doch wenn bei einem Anbieter ein Problem auftritt, hat man oft keinen Zugriff mehr auf die eigenen Arbeitsdateien. Früher lagen sie auf internen Servern oder zumindest als Kopie auf dem eigenen Rechner. Heute ist das selten der Fall und viele empfinden diese Abhängigkeit als beunruhigend.
Ein Beispiel zum Thema Convenience versus Kontrolle, das genannt wurde, war die Nutzung des Buttons „Sign in with Apple“ bei der Accountverwaltung. Für die Nutzer:innen ist das eine sehr komfortable Lösung. Aus Sicht der Dienste bedeutet es aber, dass sie keine eigene Kontrolle mehr über die Konten haben, da die Verwaltung vollständig bei Apple liegt. Diese Praxis wurde in der Diskussion zwar als pragmatisch bewertet, macht aber den zentralen Konflikt deutlich: Nutzerfreundlichkeit auf Kosten der Datenhoheit.
Der Grundtenor der Runde war klar: Gute UX zielt häufig auf maximale Einfachheit. Gleichzeitig wird dabei die Verantwortung für Daten und Zugänge fast vollständig auf die Nutzer:innen abgewälzt. Oft ohne dass es überhaupt auffällt.
Meiner Meinung nach ist dieses Problem sehr schwierig zu lösen, da wir jahrelang gutes Design mit Einfachheit gleichgesetzt haben. Nutzer:innen Eigenverantwortung beizubringen scheint daher erstmal nicht intuitiv. Die nächsten Jahre wird zeigen wohin wir uns als Gesellschaft bewegen.

Niklas Barning
UX- und Produktdesigner
Vorstand von norden.social e.V.