Zukunftsgestaltung durch Gigatrends

William hält einen Vortrag über Future Thinking

Nichts ist so gewiss wie der Wandel: In unserer VUCA-Welt (Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity) ermöglicht „Futures Literacy“ Organisationen, äußeren Wandel besser zu verstehen. Oft werden neue Technologien als „disruptive Megatrends“ angekündigt, doch stellen sie sich letztlich als bloßer Hype heraus. Andererseits können verpasste Chancen Teams, Organisationen und sogar ganze Gesellschaften in ihrer Zukunftsfähigkeit einschränken. Studien zeigen: Je weiter ein Unternehmen denkt, desto höher werden Umsätze und Gewinne mittelfristig (McKinsey, 2017).

Was ist die Gigatrends-Methode?

Gigatrends ist eine proprietäre Methode der Trendforschung, um Systems Thinking mit Futures Thinking zu verknüpfen. Systeme sind komplex, verändern sich dynamisch.

Ihre Entwicklungen sind wissenschaftlich gut erfassbar, was sie zu einem idealen Ausgangspunkt macht, um langfristige Entwicklungen und ihre Auswirkungen auf Geschäftsmodelle, Handelsbeziehungen, gesellschaftliches Zusammenleben, technologische Entwicklungen und Konsumverhalten zu verstehen und aktiv mitzugestalten.

Eine Grafik, die zeigt, wie Trends aufeinander aufbauen: Nano-, Micro-, Mega- und Gigatrends

Warum Gigatrends?

In meiner Arbeit fiel mir häufig auf, wie wenig wir über unseren westlichen Kulturraum hinausblicken und globale Dynamiken in unsere Entscheidungen einbeziehen. Die Welt ist inmitten tiefgreifender Veränderungen. Gerade jetzt braucht es mehr – und nicht weniger – herausragende globale Zusammenarbeit in allen Sphären: wissenschaftlich, unternehmerisch, kulturell und gesellschaftlich, um diese Transformationen als Zivilisation zu meistern.

Auch denken wir im Westen nicht so weit voraus, wie in anderen Kulturen: So ist es in den konfuzianisch geprägten Kulturen Asiens üblich, in mehreren Generationen – sogar in Jahrhunderten – zu denken. (Ji, 2019). Ein Beispiel ist der SoftBank VisionFund: Mit diesem Investmentvehikel sollen Technologie-Ventures finanziert werden, die die Welt der nächsten 300 Jahre entscheidend prägen und verbessern sollen. (SUGIMOTO, 2017)

Dies kann ich mit einer Anekdote durchaus bestätigen: Bei einer Fundraising-Kampagne für ein Venture fragten mich singapurer Angel-Investoren gezielt nach einer Vision, die über das Jahr 2050 hinausging.

Megatrends vs. Gigatrends

Megatrends sind einflussreiche strukturelle Entwicklungen, die als Schlüsselthemen die Lebenswirklichkeit einer Gesellschaft prägen. Allerdings sind Megatrends oft regional beschränkt und bilden den Zeitgeist einer ganzen Generation ab. Gigatrends hingegen sind tiefgreifende systemische Umwälzungen. Sie sind global und langfristiger, beschäftigen sich mit den Herausforderungen mehrerer Generationen und betreffen in ihrer Tendenz die gesamte Menschheit. Zudem besitzen Gigatrends das wichtige Merkmal, ganze Systeme zu verändern, neue hervorzubringen oder den Kollaps bestehender Systeme herbeizuführen. Ein Beispiel hierfür ist der Klimawandel, ein Gigatrend, der seit dem Beginn des Industriezeitalters über viele Generationen hinweg in allen Teilen der Welt spürbar ist.

Beware of Hypes: Aufgeblasene Nanotrends

Ein klassischer Hype waren im Jahr 2021 NFTs (non-fungible tokens). So plötzlich, wie sie ins Rampenlicht traten, so schnell verschwanden sie wieder aus dem breiten Bewusstsein. Trotz ihres revolutionären Potenzials und der kurzfristigen Erfolge von Künstler:innen und der Crypto-Community zeigt dieses Beispiel, wie kurzlebig Nanotrends sein können, wenn sie aus dem Zusammenhang gerissen werden. Ein besseres Verständnis über die größeren Kontext des Megatrends „Web3“ könnte die prinzipiell disruptive Technologie hinter NFTs langfristig und in einer neuen Form wiederaufleben lassen.

Von Giga zu Nano: Die Kaskadierung Methode

Gigatrends und Megatrends sind schön und gut – aber wie bette ich sie in meinen Alltag ein? Das Stichwort heißt: kaskadieren, also von groß nach klein denken. Der Vorteil daran ist, dass Trends sich somit elegant in Strategien einbetten lassen. Eine Gigatrend-Analyse dient zum Beispiel dazu, die Vision und Aspiration einer Organisation in Worte zu fassen und in einer überprüfbaren Logik zu verankern. Auch bieten Gigatrends für UX-Designer:innen großzügigen Spielraum mithilfe von Speculative Design, provokant, experimentell und kritisch neue Zukunftswelten zu erkunden.

Durch das Kaskadieren lassen sich Methoden zuordnen, um Trends von ihrer globalen Perspektive auf die kleinteilige und handhabbare Ebene herunterzubrechen – somit werden sie umsetzbar und bleiben dennoch methodisch robust im Big Picture verankert.

Eine Grafik, die Beispiele für verschiedene Trendgrößen nennt: Rbanisierung als Gigatrend, Urbane Transformation und Mobilitätswende als Megatrend, Initiativen für bessern ÖPNV, Geh- und Radwege als Macrotrend, Autofreie Haushalte als Microtrend und Urbanism-Creator & Content als Nanotrend

Fazit: Die Gigatrends-Methode bietet einen systemischen Ansatz, um langfristige Entwicklungen zu verstehen und aktiv mitzugestalten. Durch die Kaskadierungsmethode lassen sich Trends auf alle Ebenen des Alltags anwenden, von globalen Strategien bis hin zu spezifischen Produktentwicklungen. Dies ist entscheidend, um in einer dynamischen Welt zukunftsfähige Ergebnisse zu erzielen und den Wandel über mehrere Generationen hinweg aktiv zu gestalten.

Foto von William Chitangala

William Chitangala

Venture Architect bei CREW Innovation GmbH

References

Ji, L. J. (2019, 09). Culture, psychological proximity to the past and future, and self-continuity. European Journal of Social Psychology, 49 Issue, 4, 735-747. 10.1002/ejsp.2544

McKinsey. (2017, August 4). The case against corporate short termism. McKinsey. Retrieved July 6, 2024, from https://www.mckinsey.com/mgi/overview/in-the-news/the-case-against-corporate-short-termism

SUGIMOTO, T. (2017, August 31). Masayoshi Son’s 300-year plan. Nikkei Asia. Retrieved July 6, 2024, from https://asia.nikkei.com/Business/Masayoshi-Son-s-300-year-plan